Impuls Passionszeit Trauer und Tod

Vollbremsung

Vor einem Jahr erlebten wir etwas, wovon selbst alte Menschen, die den Zweiten Weltkrieg noch bewusst erlebt haben, sagen: „Dass ich so etwas noch erlebe, habe ich im Traum nicht gedacht.“ In die volle Fahrt unseres Lebens wurde eine Bremse reingehauen. Und dass wir ein Jahr später immer noch „Stop and Go“ unterwegs sind, das war völlig außerhalb unseres Horizontes.

Vielleicht können wir etwas nachfühlen, wie es den Jüngerinnen und Jüngern von Jesus ging. Sie schwammen auf einer Erfolgswelle. Die Leute liefen Jesus hinterher. Sie hingen an seinen Lippen und waren gierig nach neuen Wundern. Und die Jüngerinnen und Jünger waren hautnah dabei. Sie durften mithelfen und sonnten sich in dem Erfolg ihres Lehrers. Die Träume, wo das alles noch hinführen könnte, wuchsen ins Unermessliche.

Aber während sie noch so träumen, haut Jesus in voller Fahrt die Bremse rein und redet davon, dass er bald sterben wird. Und wie reagieren seine Freunde? Die einen verdrängen es völlig – Jesus muss es öfter wiederholen, aber sie wollen es nicht realisieren. Die anderen wollen ihn bereden und Pläne schmieden, wie man dem Tod entkommen kann. Und die nächsten bekommen innere Zweifel, ob sie nicht doch dem falschen Mann gefolgt sind.

Jesus sagt dazu:

Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es ein einzelnes Korn. Wenn es aber stirbt, bringt es viel Frucht.

Die Bibel. Evangelium nach Johannes, Kapitel 12,24

Jesus lenkt damit den Blick auf den größeren Horizont. Er will damit sagen: Es geht nicht um den schnellen Erfolg, den wir jetzt haben könnten. Es geht mir um etwas viel Größeres. Und dafür müssen wir das Naheliegende opfern. Wenn wir in seinem Beispiel nur auf ein Weizenkorn schauen, da sehen wir, dass es stirbt. Wenn wir aber darüber hinaussehen, dann sehen wir die Frucht, die daraus wird.

Seine Jüngerinnen und Jünger haben das erst viel später verstanden: Jesus ging es nicht darum, dass es einzelnen Menschen wieder besser ging, z.B. wenn er sie geheilt hat. Das waren nur Zeichen für eine viel größere Heilung, nämlich für die Wiederherstellung der Verbindung zwischen Gott und seinen Menschen. Und dafür musste er (wie das Weizenkorn) sterben. Diese Erkenntnis hat in ihnen eine ungemeine Hoffnung und Kraft ausgelöst.

Die Zeit vor Ostern, die sogenannte Passionszeit, können wir bewusst nutzen, um uns ausbremsen zu lassen und um für uns zu überprüfen, ob die Richtung überhaupt stimmt, in der wir volle Fahrt aufgenommen haben.

Pfarrerin Corinna Schubert